Karner-Dach: Rund 30.000 neue Holzschindeln

09.03.2015 02:00

Das älteste Gebäude Mödlings wird neu eingedeckt.

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Der Karner ist das älteste Bauwerk der Stadt, sein unterster Bauteil stammt aus der Zeit um 1200. Bauherr könnte der Babenberger Herzog Heinrich der Ältere von Mödling gewesen sein, Sohn von Heinrich II. Jasomirgott und Theodora Komnena von Byzanz. Es gibt auch immer wieder Spekulationen, dass der Karner ursprünglich als Kapelle der Tempelritter erbaut wurde.

In den folgenden Jahrhunderten wurde der Mödlinger Karner immer wieder verändert und aufgestockt. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts dient er als Glockenturm für St. Othmar. Aus dieser Zeit stammt auch das bis heute existente Doppelzwiebeldach, das 1690 bis 1698 vom Wiener Zimmermeister Leonhard Sauer errichtet wurde.

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Florian Unterweger mit Bürgermeister LAbg. Hans Stefan Hintner und den gebogenen Lärchenschindeln, die über großen Holzöfen ausgekocht und anschließend in einer Presse gebogen werden.

Zur Zeit präsentiert sich der Karner als Baustelle und komplett eingerüstet, da die Dacheindeckung erneuert werden muss. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt und auf ganz traditionelle Weise. Wie schon vor Jahrhunderten werden die Dachschindeln in Wasserbottichen über Holzöfen ausgekocht, damit sich der Harzanteil verringert.

Danach werden die Lärchenschindeln mehrfach gepresst und gebogen. Erst dann werden sie auf der gewölbten Oberfläche des Zwiebeldaches angebracht. Für diese ganz spezielle Art der Dachdeckung hat sich Mödlings Dachdeckermeister Franz Rehberger Unterstützung aus Osttirol geholt.

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Florian Unterweger beim Biegen der Lärchenschindeln, die zur Eindeckung des Zwiebeldaches am Karner verwendet werden.

Die Fachleute aus der Gegend um Lienz zählen europaweit zu den wenigen Experten, die die alte Methode der Holzschindel-Deckung perfekt durchführen können. Ende Februar stattete Mödlings Bürgermeister der Baustelle einen Besuch ab. „Die Stadt investiert rund 110.000 Euro in die Sanierung des Karner-Daches, weil uns die Erhaltung unseres historischen Erbes sehr am Herzen liegt“, so der Stadtchef.

Der Karner sowie der gesamte Kirchenplatz seien ein ganz besonderes Wahrzeichen der Stadt und ein Platz mit besonderer Anziehungskraft, so der Stadtchef. Dank des Einsatzes der Dachdecker und bei stabilem Wetter sollte sicher der Mödlinger Karner zu Ostern mit neuem Dach und ohne Gerüst präsentieren.

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Spektakulärer Blick vom Arbeitsplatz der Dachdecker. FOTO: Alexander Steppan

Historisches zum Mödlinger Karner
Der Karner, wie die Pantaleonskapelle urkundlich seit 1346 genannt wird, ist Mödlings ältestes erhaltenes Bauwerk. Er wurde vermutlich nach 1182 errichtet, möglicherweise erst um 1220. Bauherr könnte der Babenberger Herzog Heinrich der Ältere von Mödling gewesen sein, Sohn von Heinrich II. Jasomirgott und Theodora Komnena von Byzanz. Es gibt auch immer wieder Spekulationen, dass der Karner ursprünglich als Kapelle der Tempelritter erbaut wurde.

Nach der Zerstörung durch die Türken erhielt der Karner um 1250 das rundbogige Stufenportal, das auch heute noch ein Spiralfries, ein Pfeifenfries mit Menschenköpfen und Fratzen, ein Lilienfries und ein Zangenfries zeigt. Ebenfalls in romanischer Zeit erhielt der Karner oberhalb des Portals eine Loggia, die eine Jagdszene zeigt. Bei der Loggia handelte es sich vermutlich um ein Lichthäuschen, in das Licht für die Toten gestellt wurde.

Die gotischen Fresken im Karner (Anbetung der Könige, Kreuzigung, Jüngstes Gericht) stammen aus dem 13./14. Jahrhundert. Sie wurden später mit Kalk überdeckt und 1858 wieder freigelegt. Es wird angenommen, dass alle Innenwände des Karners im Mittelalter bunt bemalt waren. In den folgenden Jahrhunderten wurde der Karner immer wieder aufgestockt und erweitert. Seit der Barockzeit diente er als Glockenturm für St. Othmar, da der Dachreiter der Pfarrkirche keine schweren Glocken tragen kann, sich der Markt Mödling von lauterem Geläute jedoch mehr Segen und Hilfe von oben versprach.

Eine erste urkundliche Erwähnung der Glocken im Karner stammt aus 1675. Traurige Berühmtheit erlangte der als Beinhaus dienende Unterbau des Karners gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Zur Zeit der Türkenkriege 1683 flüchteten viele Menschen in dieses Gewölbe und fanden dort den Tod. Der unterirdische Raum wurde zugemauert und vergessen. 1884 ließ Bürgermeister Josef Schöffel den wiederentdeckten Raum öffnen. Man fand Knochen, Kleiderreste, Gebetbücher, Rosenkränze, Reste von Geschirr sowie einen wohlerhaltenen Steingutkrug mit eingetrockneten Überresten von Rotwein.

Nach dieser zweiten Türkenbelagerung erhielt der Karner sein heutiges Aussehen. Dazu zählt auch das Doppelzwiebeldach, das 1698 vollendet wurde. Heute befinden sich im Karner vier Glocken: Neben der Pantaleons- oder Christophorusglocke (ursprünglich aus 1700, umgegossen 1723), der Othmarglocke (aus 1698) und der (Lieb)Frauenglocke (ebenfalls 1698) auch die Restitutaglocke, die anlässlich der 1100-Jahr-Feiern Mödlings im Jahre 2003 hergestellt wurde. Die Restitutaglocke komplettierte das Glockengeläut wieder auf vier Glocken, nachdem die kleinste Glocke, die Heldenglocke, 1942 für die Kriegsindustrie abgeliefert werden musste.

Heute ist der Mödlinger Karner nicht nur ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt sondern auch ein Ort der Ruhe und inneren Einkehr. Dazu zählen seit rund 10 Jahren auch die zweimal jährlich stattfindenden Ausstellungen „Kunst im Karner“, die auch stets von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit religiösen und philosophischen Themen begleitet werden. Der Hl. Pantaleon Pantaleon war ein frühchristlicher Märtyrer und Heiliger, der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts lebte. Er gehört zu den vierzehn Nothelfern und ist der Patron der Ärzte und Hebammen.

Sehr umfassende Informationen zum Karner
bietet die Internetseite der Pfarre St. Othmar unter www.othmar.at